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Warum New Work und Agilität nicht die Lösung und am Ende gefährlich ist!
Sehr auffällig ist, dass egal wo man nachschaut oder mit wem man spricht, um mehr über das Buzzword „New Work“ in Erfahrung zu bringen, erfährt man, dass viele Grundaussagen von New Work einfach in den Raum gestellt werden, ohne einen Nachweis für deren Richtigkeit zu erbringen. Wie die Arbeitswelt der Zukunft aussehen wird, ist freilich ungewiss. Doch geben die Entwicklungen mit den Hypes New Work und Soziokratie auf dem Weg zur Wirtschaft 4.0 bereits den Vorgeschmack, der die Lösung darstellt? Richtig ist auch, dass künftiges, sich im heute und jetzt nicht unbedingt beweisen lässt, aber der Lackmus-Test wird folgen. Entweder nehmen eine Reihe von Thesen weit zukünftiges soweit vorweg, dass deren visionärer Ansatz im hier und jetzt, schwer zu verstehen ist oder sie sind schlichtweg falsch, weil sie z.B. soziologische Grundgesetze und menschliche Bedürfnisse schlichtweg außer Acht lassen. Ich denke eher zweitens.
Die New-Work-Definition lautet entsprechend: New Work ist die Arbeit, die ein Mensch wirklich will! Scheinbar gibt es also keinen Wettbewerb mehr auf dem Arbeitsmarkt? (hier ein stellvertretender Link zum Thema) Bei genauerer Betrachtung werden Sonderbeispiele (die es natürlich auch gibt) herangezogen und anschließend generalisiert auf alle Arbeiten und Felder der Wertschöpfungen ausgerollt - völlig undifferenziert. Das ist ein Fehler! Spricht man mit Befürwortern dieser Arbeitsweise, beschleicht einem der Gedanke, es handele sich um eine neue Religion, bei welcher die Sachlichkeit leider sehr oft auf der Strecke bleibt.
New Work und Soziokratie sind gefährlich für die Rentabilität und somit für die Zukunft der Unternehmen. Dabei helfen auch nicht die Aufmerksamkeitsdramatisierungen in diversen Medien, die den Versuch unternehmen - seriös zu erscheinen, um den eigentlichen Kern zu verschleiern - Führungsschwäche, ohne Wenn und Aber!
Ich wähle hier eine Metapher aus der Pferdewelt und man ahnt es vielleicht, ja der Autor ist Reiter - zugegeben, das stimmt. Also, Sie sind mit Ihrem Pferd in einem schwierigen Parcours unterwegs und haben Hindernisse zu überwinden. Ergänzend sei erwähnt, es geht im Parcours nicht nur darum, alle Hindernisse irgendwie zu meistern, sondern diese in einer vorgegebenen Reihenfolge und das auch noch in einer bestimmten Zeit - also Effektivität und Effizienz, wie im wirtschaftlichen Leben auch. Als Reiter sind sie die Führungskraft und steuern ihr top ausgebildetes Pferd im Parcours auf die entsprechenden Hindernisse, steuern den Anreitwinkel, die Galoppade und kurz vor dem Hindernis helfen sie ihrem Pferd richtig zu taxieren, um den geeigneten Absprung zu finden. ABER ab einem Moment X lassen sie das Tier machen - ihre höchste Aufgabe ist es jetzt im Sprung nur nicht zu stören und eins zu werden mit dem Pferd und schon während des „Landevorgangs“ das nächste Hindernis in den Blick zu nehmen. Ihr sensibler Leistungspartner registriert feinste Hilfen, also in welche Richtung sich ihr Kopf bewegt und wird entsprechend handeln. Reiter und Pferd sind eins, sie harmonieren wie aus einem Guss, jedoch ohne das die Führung zu irgend einem Zeitpunkt je aufgegeben worden ist. Wer jemals mit einem solchen Fokus zum Beispiel einen Vielseitigkeitsritt in schwierigem Gelände oder das große Springturnier in Hamburg beobachtet hat, erkennt, dass Führung immer da ist, aber in feinster Harmonie sich an den entsprechenden Stellen zurücknimmt und seinen Leistungspartner Pferd machen lässt. Keiner kann ohne den anderen eine solche Leistung abrufen und jeder kennt seine Aufgabe im Parcours. Und jetzt gehen wir noch einmal zum Start und werden dieselbe Aufgabe in New Work soziokratisch vor jedem Sprung neu ausloten und ggf. entscheiden, in welcher Reihenfolge das Pferd gedenkt die Hindernisse, in welchem Tempo, falls wenn überhaupt, zu meistern. Das Ergebnis steht dann schon vorab fest - entweder ein Sturz, weil sich Pferd und Reiter vor dem Sprung nicht einig waren, aber sicher am Ende steht die Disqualifikation im Raum! Die Einwender mögen jetzt mir entgegenhalten, ja Mensch und Tier, das ist nicht vergleichbar. Die Metapher hingt gewaltig. Vorab, die vielen guten Mitarbeiter der Unternehmen mögen mir verzeihen, dass sie hier in diesem Bild in die Rolle des Pferdes versetzt wurden, das scheint erniedrigend und gemein. Sorry, aber wer die Intelligenz und Persönlichkeit, die Willenskraft und die Anmut, die lange Trainingszeit sowie den komplexen Körperbau eines Pferdes kennt, wird sicherlich mir gegenüber Milde walten lassen, weil er (im Rahmen des Bildes) die Parallelen nachvollziehen kann.
Wer verantwortet - entscheidet! Und wer entscheidet, muss diese auch verantworten!
Welcher Unterzeichner einer Bilanz kann als Entschuldigung vorbringen: „Oh, das hatte ich nicht im Griff, das wurde demokratisch entschieden, meine Unterschrift sollten sie lieber Herr Amtsrichter bitte eine andere Gewichtung geben!“ Wie Bitte? Es gehört u.a. mit zur Aufgabenbeschreibung einer Geschäftsführung und ist in jeder Bilanz unter der Rubrik „Risiko und Chancenbericht“ exklusiv vermerkt: „…..hat für das Erkennen wesentlicher Risiken ein umfassendes Kontroll- und Risikomanagement als Bestandteil der Unternehmensplanung und monatlichen Geschäftsanalyse implementiert.“ Somit steht New Work in letzter Konsequenz sogar dem gesetzlichen Anspruch entgegen.
Ich hege großen Respekt vor Menschen, doch nicht jeder ist in seinem Lebensentwurf, in seiner Berufung ein Leiter und dann noch dazu ein guter, noch ist jeder Leiter zum Beispiel ein guter Techniker oder Ingenieur etc.. Doch hier wird versucht, ein soziologisches Grundprinzip, aus welcher Motivation auch immer, im Sinne der Demokratisierung der Unternehmen, vollkommen auszuhebeln.
Zeichnet sich denn nicht gute Führung darin aus:
Ist es nicht die Aufgabe des Reiters (Leiters), das Pferd durch den Parcours zu steuern (zu führen)? Er hat doch zuvor diesen studiert, hat ihn abgeschritten und eine Strategie entwickelt, er hat den Überblick und kennt die Reihenfolge und weiß, welche Galoppade wo zu wählen ist, wie man welches Hindernis anreitet und den besten Absprung findet! Aber dann im entscheidenden Moment, überlässt er es seinem Leistungspartner, das Hindernis zu meistern. Während eines solchen Momentes ist es seine vordringlichste Aufgabe in Einheit mit seinem Pferd zu sein, d.h. nicht stören, in Balance zu sein und es seine "Arbeit" machen zu lassen. Selbiges gilt für die Führung und die Mitarbeiter im Unternehmen. So liegt in jeder Führungsaufgabe eine gewisse Ambivalenz, denn sie weiß, dass ihre Unterschrift unter einer Bilanz am Ende steht, aber sie weiß eben auch, dass sie nicht alle „Zügel“ in der Hand (Mikromanagement) behalten kann. Ich hoffe sehr, mich nicht in die Reihen der Pauschalierer mit einzuordnen und in die eine oder anderer Richtung zu überzeichnen. Führung war immer ein schmaler Grad und wird es auch weiter bleiben. (Mehr Infos zur Zusammenarbeit im Unternehmen, finden Sie in diversen vorangegangen Blog Beiträgen)
Somit steht der New Work Ansatz für eine zukunftsorientierte Unternehmensführung nicht zur Verfügung, gleichwohl zum Beispiel mit der New Work Experience ein richtiger Hype daraus gemacht wird. Ich scheue mich nicht, dieses in Frage zu stellen, weil, wie eben kurz ausgeführt, Grundlegendes dagegen spricht. Auch ein stark penetriertes Narrativ des New Work ist, man begegne sich auf Augenhöhe! Mit dessen Hervorhebung wird jedoch immer impliziert, dass Führung dazu nicht im Stande wäre und nur im Top Down Prinzip, mit "Sporen und Peitsche", agieren würde. Auch das ist falsch! Ohne Respekt und Achtsamkeit gegenüber seinem Leistungspartner, wird es keine Kooperation im "marktwirtschaftlichen" Parcours geben und Leistungen bleiben unter ihren Möglichkeiten - Potentiale werden nicht ausgeschöpft. New Work versteht Arbeit als eine temporäre Zweckbeziehung! Ist das wirklich so, will das jeder, heute hier und morgen dort, Mitarbeiter sowie Unternehmen? Gibt es also keinen Fachkräftemangel und keine unternehmensinternen Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung mehr? Geht man unvoreingenommen jeden einzelnen Punkt, den New Work lösen will durch, erkennt man, dass es mehr Probleme schafft (oder es selber ist), als es zu lösen vorgibt und zum Schluss sich der Ansatz selbst pulverisiert. Der wesentlichste, negative Punkt ist jedoch der, dass alle Maßnahmen des New Work und der Soziokratie nach innen gerichtet sind, niemand fragt nach dem Kunden und seinen Bedürfnissen.
Noch ist der Kunde derjenige, der die Entwicklungsrichtung von Unternehmen vorgibt. Ihn zu verstehen und zu folgen ist immer noch die gleiche Herausforderung - früher und heute (wenn auch heute mit anderen Tools und Möglichkeiten).
Jeder sollte bedenken, der Kunde gehört nicht dem Unternehmen - heute hat Ihr Kunde die Kontrolle, er ist es, der sich bindet oder löst, das Unternehmen kann nur eine Bindung anbieten, aber der Kunde entscheidet, ob er diese gewillt ist einzugehen und dann auch wie lange.
Darüber hinaus, ich erwähnte es bereits, ist es salopp ausgedrückt nicht jedermanns Sache und liegt schon gar nicht innerhalb von diversen Aufgabenbeschreibungen, komplexe ggf. das ganze Unternehmen beeinflussende Entscheidungen zu fällen. Insbesondere das Ignorieren dieses Faktes erzeugt Druck innerhalb der Organisation. Ich bin an dieser Stelle sehr vorsichtig und möchte nicht pauschalieren, aber die Gefahr eine kollektiven Burnout Falle droht immens! Der nach innen gerichtete Fokus erhöht die Transaktionskosten und aufgrund indifferenter Entscheidungs-konstellationen werden die Unternehmen ineffizient und die schon oft wiederholte Rentabilitätsfalle schnappt zu.
Um seinen Kunden folgen zu können, braucht es eine Strategie! Wiederum die Wirksamkeit einer Strategie wird wesentlich durch die Struktur der Organisation bestimmt. Von all diesen Wirkmechanismen sowie ihrem essenziellen Charakter für den Unternehmenserfolg, wollen die Befürworter der New Work Bewegung nichts hören. LEIDER! Am Ende des gesamten Prozesses stehen dann die Arbeitsplätze, die man äußerlich und innerlich „ansprechender“ gestalten wollte, infrage. Wo ist da der Gewinn?
Selbige Unsachlichkeit begegnet einem ebenso, wenn es in Verbindung oder auch isoliert um innovative Prozesse und deren funktionierende Etablierung im Unternehmen geht. Gemeint sind hier Unternehmen des Mittelstands, die nicht primär mit der Softwareentwicklung ihre Wertschöpfung betreiben. Agilität ist das zweite Buzzword der modernen Managementelite (vor allem in Beraterkreisen). Auch hier macht sich im versuchten Dialog eher eine religiöse Atmosphäre breit, wenn man einfach nicht „einsichtig“ sein will. Und schon wieder werden grundlegende „Gesetzmäßigkeiten“ für einen sinnvollen Einsatz von agilen Methoden einfach ausgehebelt und/oder generalisiert, mit fatalen Folgen.
Fest steht, ein agiles Vorgehensmodell im Unternehmen ergibt erst Sinn, wenn sich monatlich min. 30% der definierten Anforderungen ändern. Solche Fakten werden aber nahezu von allen Befürwortern einfach ausgeblendet und die Mahnenden werden am Pranger der Rückständigkeit mit Häme beworfen. DOCH gerade, wenn eine Methodenfrage fast religiöse Ausmaße annimmt, sollte man dem Thema mit größter Sorgfalt und Vorsicht gegenüber treten. Ob nun ein Projekt plangetrieben oder agil verfolgt werden sollte, ob in klarer Abgrenzung schwarz oder weiß oder doch besser ein ausbalancierter Mix effektiv und effizient zum Ziel führt, kann zum Beispiel in der Veröffentlichung des „Cover Feature - agil methods“ mit dem Titel „Risikobetrachtung zur Balance agiler und plangetriebener Methoden“ , published by the IEEE Computer Society nachgelesen werden.
Das zentrale aber gern ignorierte Schlüsselwort in diesem Kontext lautet - Balance. Die beiden Autoren B. Boehm und R. Turner machen hierin deutlich, wann beim Vorliegen bestimmter Fakten eher ein agiles oder plangetriebenes Vorgehen im Unternehmen dem Vorzug zu geben wäre und zeigen die Vorteile agiler und plangetriebener Methoden auf sowie einen Weg, um gleichzeitig viele ihrer Nachteile abzumildern. FAZIT des Ganzen: Völlig Unpreziös! Es ist bei der Auswahl der geeigneten Vorgehensweise wie beim Reiten, die situative Balance ist das Schlüsselwort, um oben zu bleiben und nicht durch eine fanatische Überbetonung des modern gehypten „agil“ auf der einen oder dem starren Festhalten von Bewährtem auf der anderen Seite vom Pferd zu fallen. So kenne ich Organisationen, in welchem die Mitarbeiter im überwiegenden Teil ihrer Mitarbeit in Prozesse eingebunden sind, die nun um der Moderne willen jetzt agil werden müssen. Bei dem erwähnten Unternehmen (Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen o. Organisationen sind rein zufällig) schlug die fatale Klappe gleich zweimal zu. Um Silos aufzubrechen, sollten zwei absolut konträre Aufgabenbereiche (zu vergleichen mit Fußballspieler und Platzwart) in einem „Team“ zusammengeführt werden, damit man im Team möglichst „agil“ Kundenprobleme löst, so die Vorstellung der Geschäftsleitung. Aber das Gegenteil ist der Fall. Der toxische Cocktail aus New Work und angestrebter Agilität entfaltet sichtbar seine Wirkung, aber nicht für die Leitung der Organisation. In Überforderung und mangelndem fachlichen Verständnis für die andere Seite, die jetzt zur Gruppe gehört, tritt nun das Mixed Team völlig auf der Stelle. Die Ergebnisse sind ähnlich, wie oben bei New Work ausführlich diskutiert.
Weitere Punkte für eine agile Pro oder Kontra Entscheidung.
Die Dynamik im System mit einer Veränderbarkeit von mehr als 30% pro Monat wurde bereits angesprochen. Weiterhin gilt zu beachten, wenn ein Team bezüglich seiner Funktionalität größer sein muss, empfehlen die Autoren der Studie eine plangetriebene Vorgehensweise. Bei prozessualen Vorgehen (ERP gesteuerte Abläufe etc.) sind diese ohnehin zwingend und Agilität ist hier nur Augenwischerei. Kulturell muss eine ausgeprägte Resilienz vorhanden sein, damit der organisationalen Erschöpfung entgegengewirkt werden kann. An diesem Punkt kommt wieder die Dynamik ins Spiel. Verändert sich das Umfeld der Unternehmen wirklich so stark in seiner gesamten Struktur, dass man agil werden muss? Bei solchen Umfeldbedingungen ist Agilität der völlig falsche Ansatz, das absolut falsche Tool! Betrifft Unternehmen ein solcher Fakt, dass sich z.B. durch disruptive Prozesse wesentliche Grundgegebenheiten im gesamten Branchenumfeld verändern, handelt es sich nicht um Fragen, die agil zu lösen wären, sondern um einen umfassenden strategischen Ansatz, mit welchem man mittels einer Branchenstrukturanalyse und den entsprechenden strategischen Fragen nach Antworten sucht, plus einer unternehmensinternen Ursachen Suche für die Krise (z.B. strukturelle und prozessbezogene Defizite etc.) und inklusive der Betrachtung des Unternehmensumfeldes und möglichen Entwicklungsszenerien! Ein letzter Punkt sein noch erwähnt, dass es ebenso bei sicherheitstechnisch kritischen Systemen, Maschinen und Geräte, für die die Unternehmen die Dienstleistung übernehmen oder sie in Verkehr bringen, aufgrund der Gefahr von Leib und Leben immer dem geordneten, also dem plangetriebenen Modell, der Vorzug einzuräumen ist.
Nun zusammenfassend stelle ich fest, es ist grundsätzlich nicht falsch, sich mit der Kultur der Führung im Unternehmen zu befassen. Doch das unausbalancierte und gedankenlose Überstülpen von sogenannten modernen Arbeitsweisen (New Work und Agilität) kostet dem Unternehmen nicht nur Kraft und Zeit, sondern es fehlen der Organisation weitere wichtige Ressourcen z.B. für den digitalen Wandel, den notwendigen Differenzierungsansatz im Wettbewerb und am Ende Rentabilität.
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Autor.ConSuccor Niels Freigang. Kategorien.
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